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Fragenkatalog Digitale Editionen

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Fragenkatalog - Digitale Editionen

Einleitung

Ziele

Dieses Tutorial gibt einen Überblick über konzeptionelle Fragen bei der Erstellung von digitalen Editionen. Ziel ist es, Forschende für den Umgang mit ihren Forschungsdaten zu sensibilisieren und sie dabei zu unterstützen, ein Forschungsdesign für ihr Vorhaben zu entwerfen. Die integrierten Fragen dienen zudem zur Vorbereitung auf Beratungsgespräche mit Kooperationspartner:innen.

Zielgruppe

Das Tutorial richtet sich an Forschenden aus den Geistes- und Kulturwissenschaften, die im Rahmen ihres Forschungsvorhabens eine Edition retrodigitalisieren oder eine digitale Edition erstellen möchten. Der Einsatz von virtuellen Forschungsumgebungen kann im Rahmen dieses Tutorials nicht ausführlich vorgestellt werden. Informationen zu diesen Services werden an den entsprechenden Stellen verlinkt.

Übungsmaterialien und didaktisches Konzept

Das Feld der Geistes- und Kulturwissenschaften ist sehr heterogen. Dies spiegelt sich auch in den vielfältigen Forschungsgegenständen der unterschiedlichen Fachwissenschaften. Bestandsdaten können in verschiedenen Dateiformaten vorliegen und generierte Forschungsdaten gegebenenfalls in unterschiedlichen Dateiformaten gespeichert werden. Daher werden Texte, Audio- und Videodateien im Rahmen dieses Tutorials unter dem Dokumentbegriff subsumiert. Formatspezifische Anforderungen, wie beispielsweise die Wahl geeigneter Repositorien und fachspezifische Standards werden im Rahmen des Beratungsgesprächs individuell besprochen. Um eine gemeinsame Grundlage für den Fragebogen und die Verständigung über Projektziele zu schaffen, werden im nachfolgenden Kapitel zunächst einige Begriffe aus der Editionswissenschaft zusammengefasst.

Begriffsklärungen

Das Ziel von wissenschaftlichen Editionen ist es, (historische) Primärdokumente in einer möglichst authentischen Form zu präsentieren, ihre Entstehungs- oder Überlieferungsgeschichte nach einer kritischen Analyse überlieferter Fassungen der Dokumente zu rekonstruieren, ihre zeitgenössischen Kontexte und Rezeption zu dokumentieren und sie durch Kommentare und Erläuterungen für den Leser nutzbar zu machen.

Wissenschaftliche Editionen ermöglichen eine sachgemäße Analyse und Bewertung historischer Dokumenten und sind daher ein zentraler Bestandteil der Grundlagenforschung in den Geisteswissenschaften.1 Digitale Editionen sind jedoch nicht nur wissenschaftliche Editionen, deren Dokumente in digitaler Form publiziert werden. Sie realisieren die Ziele wissenschaftlicher Editionen unter “Berücksichtigung der gegenwärtigen technischen Möglichkeiten [sowie] ihrer methodischen Implikationen”2 und können “nicht nicht ohne wesentliche Informations- und Funktionsverluste in eine typografische Form gebracht werden”3 . Bei digitalisierten Print-Editionen oder vielen digitalen Erschließung projekten, die eine Bereitstellung von Digitalisaten, Metadaten und ggf. noch OCR-Texten anstreben, handelt es sich demnach nicht um digitale Editionen im engeren Sinne, da diese die Vorteile digitaler Editorik nicht ausschöpfen, sondern eine lediglich ein Printausgabe digital publizieren.

Editionsformen

In den folgenden Absätzen werden exemplarisch einige Editionstypen vorgestellt.

Historisch-kritische Ausgabe

Das Ziel einer historisch-kritischen Ausgabe ist es, die Varianten aller erhaltenen Fassungen von Primärdokumenten kritisch zu überprüfen und zu dokumentieren, um einen den Primärdokumenten möglichst nahestehenden Lesetext zu konstituieren, mit dessen Hilfe Leser*Innen die Genese oder Tradierung der historischen Dokumente nachvollziehen können. Eine historisch-kritische Ausgabe umfasst nach Bodo Platcha4 :

  1. alle Primärdokumente
  2. Beschreibung aller erhaltenen Fassungen der Primärdokumente
  3. einen textkritischen Apparat
  4. Verzeichnisse
  5. Inhaltsverzeichnis
  6. Abbildungsverzeichnis
  7. Verzeichnis aller verwendeten Siglen
  8. Materialverzeichnis
  9. Verzeichnis weiterer Quellen, die für die Rekonstruktion der Entstehungs- oder Tradierungsgeschichte und das Verständnis der zeitgenössischen Rezeption (Rezensionen, Äußerungen/Resonanz anderer Personen) von Bedeutung sind.
  10. Register
  11. (kommentiertes) Personenregister
  12. (kommentiertes) Ortsregister
  13. (kommentiertes) Sachregister
  14. einen Editionsbericht, indem die editorischen Entscheidungen dokumentiert werden.

Kritisch kommentierte Ausgabe

Das primäre Ziel einer kritisch kommentierten Ausgabe ist es, Leser*Innen einen kritisch überprüften Text zu präsentieren. Wird im Rahmen einer kritisch kommentierten Ausgabe ein textkritischer Apparat erstellt, werden in diesem meist nur die Varianten ausgewählter Fassungen verzeichnet.

Leseausgabe

Das Ziel einer Leseausgabe ist es, Leser*Innen historische Primärdokumente zu präsentieren. Da die Entstehungs- oder Tradierungsgeschichte der Dokumente im Rahmen einer Leseausgabe nicht rekonstruiert wird, stellt diese keinen Anspruch auf Vollständigkeit und enthält keinen textkritischen Apparat oder Verzeichnisse alternativer Fassungen. Optional kann sie jedoch ein Nachwort sowie Wort- und Sacherklärungen enthalten.

Regestausgabe

Das Ziel einer Regestausgabe ist es, Leser*Innen die wichtigsten Informationen eines Dokumentes zu präsentieren. Regestausgaben werden häufig im Kontext von Briefeditionen angestrebt, wenn die Aufbereitung und Herausgabe der gesamten Korrespondenz den Rahmen des Editionsprojektes übersteigt.

Genetische Ausgabe

Das Ziel einer genetischen Ausgabe ist es, die Varianten aller erhaltenen Fassungen von Primärdokumenten kritisch zu überprüfen und zu dokumentieren, um einen möglichst authentischen, “besten” Lesetext zu konstituieren, mit dessen Hilfe Leser*Innen die Genese oder Tradierung der historischen Dokumente bzw. das Werk eines Autors nachvollziehen können.

Textkritischer Apparat

Im textkritischen Apparat werden die sich aus den unterschiedlichen Fassungen ergebenden Varianten, Erläuterungen zur Textkonstitution und Kommentare verzeichnet. Beispiel:

Fassung - Konstituierter Text5 :

Der Wald ertönt von tausendstimmigem Leben

Fassung - Handschrift (H1)6 :

Der Wald ertönt von tausendstimmigen Leben

Einzelstellenapparat

Im Einzelstellenapparat werden die Varianten alternativer Fassungen mit Hilfe von Lemmata wiedergegeben. Als Lemma wird die Textstelle bezeichnet, auf die sich ein Kommentar oder eine Anmerkung im textkritischen Apparat bezieht.

a) Positiver Apparat

Lemma, Lemmazeichen, Variante, Sigle

tausendstimmigen] tausendstimmigen H1

b) Negativer Apparat

Variante, Sigle

tausendstimmigen H1

Treppenapparat

Im Treppenapparat werden die Varianten alternativer Fassungen stufenweise rekonstruiert.

tausendstimmigem (a) tausendstimmigen H1 (b) … H2

Einblendungsapparat

Im Einblendungsapparat erscheinen die Varianten alternativer Fassungen unmittelbar in dem konstituierten Text

Der Wald ertönt von tausendstimmigem] tausendstimmigen (H1) Leben

Fragebogen

Welche Forschungsdaten werden im Projekt verwendet?

Bestandsdaten

Welche bereits vorhandenen Forschungsdaten, beispielsweise Faksimiles von Primärquellen, bereits transkribierte oder mit OCR erschlossene Texte, ggf. auch eigene oder fremde Datensammlungen und Datenerhebungen, werden im Projekt verwendet?

Von welcher Institution werden die Bestandsdaten zur Verfügung gestellt? Unter welcher Lizenz stehen die jeweiligen Bestandsdaten?

(1) Unterliegen die Primärdokumente der urheberrechtlichen Sperrfrist (bis 70 Jahre nach Tod)?

(2) Unterliegen die digitalisierten Primärdokumente Leistungsschutzansprüchen?

(3) Wird durch die bereitstellende Institution bereits eine bestimmte Nutzungsart erlaubt? (z.B. CC-Lizenz) In welchem Format (beispielsweise .jpeg-Dateien mit einer Auflösung von 300dpi) werden die Bestandsdaten bereitgestellt?

Selbst erzeugte Forschungsdaten

Welche Forschungsdaten werden im Projekt erhoben oder generiert?

Wie werden die jeweiligen Forschungsdaten erhoben oder generiert? Primärtexte können beispielsweise durch eine maschinelle Texterkennung mittels OCR oder durch manuelle Transkription generiert werden.

In welchem Format werden die Forschungsdaten gespeichert?

Werden die Forschungsdaten weiter verarbeitet? Erfolgt beispielsweise eine Annotation der Daten?

Welche Standards werden im Projekt verwendet? Gibts es Abweichungen von den verwendeten Standards? Falls, warum sind diese Abweichungen notwendig?

Nachnutzbarkeit der Forschungsdaten

Wann werden die Forschungsdaten im Projekt generiert? Wann werden die verwendeten Forschungsdaten welcher/n Zielgruppe/n zur Verfügung gestellt?

Für welchem Zeitraum werden die Forschungsdaten und unter welcher/n Lizenz/en zur Verfügung gestellt?

Was für eine Edition wird angestrebt?

Was für eine Edition wird angestrebt?

Für welche Zielgruppe/n wird die Edition konzipiert?

Welchen Mehrwert bietet die Digitale Edition?

Dokumentation

(Projektspezifische) Editionsrichtlinien

Was wird annotiert?

Was wird emendiert?

Wie wird kollationiert?

Was wird wie normalisiert?

Beschreibung der Metadaten

Welche Metadaten werden erschlossen?

Mit welcher Intention werden diese Metadaten erfasst? Da aus der technischen Perspektive (fast?) alles ausgezeichnet werden kann, stellt sich die Frage, welche Metadaten fachspezifisch relevant sind. Metadaten ermöglichen multiple Zugänge einer der Edition (Visualisierungen, Register)

Normdateien

Ethik, Datenschutz, andere rechtliche Bestimmungen

Administration der Daten während der Projektlaufzeit?

Workflow

Virtuelle Forschungsumgebungen

Ediarum

Textgrid

Edirom

Sade

Editionstools Oxygen,

Transcribo,

Transkribus,

TEI Critical Apparatus Toolbox,

Kiln

Prototypisches Entwickeln - Editionen sind Informationssystem, die auf ein Ziel hin entwickelt werden. Bei der Datenmodellierung muss die Präsentationsschicht daher von Anfang an mitgedacht werden.

Publikation - Wo und wie soll die Edition publiziert werden?

Digital Für welche Daten werden Repositorien benötigt?

Wie wird die Nachhaltigkeit der Präsentationsoberfläche gewährleistet?

Print

Bei welchem Verlag wird die Edition publiziert? Welche Rechte erhält der entsprechende Verlag?

In welchem Format müssen die Daten übergeben werden?

Kostenkalkulation

  1. Sachmittel (Software/Hardware)
  2. Personalmittel: gibt es Standardsätze (DFG) oder muss man die Kosten konkret benennen (BMBF)?
  3. Overheads: Wie werden diese Projektpauschalen verteilt?
  4. Externe Kooperationspartner: Werden Arbeitsschritte (Digitalisierung, Datenverarbeitung, Layout und Präsentation) ausgelagert?
  5. Fortbildungskosten für Mitarbeitende (Teilnahme an Tagungen, Workshops oder Konferenzen)

Charters Encoding Initiative (CEI) tag library http://www.cei.lmu.de/taglib.php

TEI-Guidelines

Digital Scholarly Editions: Manuscripts, Texts and TEI Scholarly Editing

Digital Scholarly Editing: Theories and Practices

e-editiones

Online-Katalog digitaler Editionen

Catalogue of Digital Editions

Ide Kriterienkatalog für die Besprechung digitaler Editionen Institut für Dokumentologie und Editorik e.V.

Magazin für digitale Editionswissenschaft https://www.mde.fau.de/

Kompetenzzentrum – Trier Center for Digital Humanities, Digitale Edition und Lexikographie

KONDE - Kompetenznetzwerk Digitale Editionen

BMBF - Digital Humanities

Graphoskop (Software zur Untersuchung von historischen Schreibhänden) http://www.palaeographia.org/graphoskop/index.htm#top

Literaturwissenschaft, S. 66-70.

  1. Bodo Plachta: Edition. In: Gerhard Lauer/Christine Ruhrberg (Hrsg.): Lexikon 

  2. Sahle, Editionsformen, 2013, Bd. 2, S. 148f. 

  3. Sahle, Editionsformen, 2013, Bd. 2, S. 148f. 

  4. Bodo Plachta: Editionswissenschaft. Eine Einführung in Methode und Praxis der Edition neuerer Texte. Stuttgart: Philipp Reclam jun., 2. erg. u. aktual. Aufl. 2006, S. 14f. 

  5. Johann Wolfgang Goethe: Faust. Historisch-kritische Edition. Herausgegeben von Anne Bohnenkamp, Silke Henke und Fotis Jannidis unter Mitarbeit von Gerrit Brüning, Katrin Henzel, Christoph Leijser, Gregor Middell, Dietmar Pravida, Thorsten Vitt und Moritz Wissenbach. Version 1.2 RC. Frankfurt am Main / Weimar / Würzburg 2019, Faust. Eine Tragödie. Konstituierter Text. Bearbeitet von Gerrit Brüning und Dietmar Pravida, URL: Faust. Historisch-kritische Edition, abgerufen am 29.6.2021. 

  6. Johann Wolfgang Goethe: Faust. Historisch-kritische Edition. Herausgegeben von Anne Bohnenkamp, Silke Henke und Fotis Jannidis unter Mitarbeit von Gerrit Brüning, Katrin Henzel, Christoph Leijser, Gregor Middell, Dietmar Pravida, Thorsten Vitt und Moritz Wissenbach. Version 1.2 RC. Frankfurt am Main / Weimar / Würzburg 2019, 2 I H.0a, S. 6, URL: Faust. Historisch-kritische Edition, abgerufen am 29.6.2021.